Minimalistisch reisen im Wohnmobil. Unsere Einstellung zu materiellem Besitz wurde durch die Wohnungsauflösung sehr geprägt. Wir können uns immer noch sehr für Möbel und andere schöne Dinge begeistern. Aber wir müssen sie nicht mehr besitzen, um uns daran zu erfreuen. Wir lieben es, dass wir unseren Besitz jetzt mit einer Zahl nennen können: 3,1 Tonnen inklusive aller Insassen, Wasser, Gasflaschen und einer halben Tankfüllung. Aber nicht nur hinsichtlich des Gewichts macht Minimalismus unsere Reise leichter.
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Unsere Definition von Minimalismus auf Reisen
Dass man unterwegs nicht so viel mitnehmen kann, ist klar. Egal ob im Koffer oder im Wohnmobil: Der Platz ist begrenzt und somit scheint ein gewisses Maß an Minimalismus auf Reisen unvermeidbar zu sein. Schließlich überlegt sich jeder vor seinem Urlaub, wie viele Kleidungsstücke er wirklich braucht und welche Kleidung am besten zu den Wetterbedingungen im Reiseland passt. Und natürlich werden auch nur Lieblingsklamotten eingepackt.
Für uns bedeutet Minimalismus nicht, dass wir so wenig wie möglich mitnehmen möchten. Minimalismus heißt für uns, wenig zu brauchen. Es ist kein Prozess, von dem wir erwarten, dass wir irgendwann ein bestimmtes Ziel erreicht haben. Es ist eher eine Art Lebenseinstellung, die viele unserer Werte miteinander verbindet und zusammenführt. Indem wir minimalistisch reisen, priorisieren wir das, was uns wichtig ist.
Alles, was wir haben, haben wir eingepackt und nehmen es überall mithin. Durch diese Tatsache geben wir allen Dingen einen höheren Wert. Sie verstauben nicht in Schränken oder im Keller, sondern alles wird ständig genutzt und jedes einzelne Teil ist es uns wert, mitzufahren.
Unsere Ausgangssituation für minimalistisches Vollzeit-Reisen
Eigentlich hatten wir gedacht, dass wir schon recht minimalistisch leben würden. Wir haben bereits vor unserer Reise ziemlich bewusst konsumiert und haben Wert auf gute Qualität gelegt. Außerdem haben wir fast alles, sei es Möbel, Technik oder Kleidung, Second Hand gekauft. In erster Linie natürlich aus Ressourcen-Spar-Gründen, aber auch, weil wir total gerne über Flohmärkte schlendern und auf eBay Kleinanzeigen stöbern. Wir finden es spannend, was die Leute alles mal gekauft haben und jetzt loswerden möchten. Es gibt uns Anstöße, unser eigenes Konsumverhalten zu reflektieren.
Obwohl wir Dinge recht bewusst angehäuft haben – angehäuft haben sie sich trotzdem. Und es gab eigentlich immer irgendeine Ecke, die uns Nerven gekostet hat, weil sie unordentlich war und wir den Überblick darüber verloren hatten. Sei es der Keller, der Kleiderschrank oder die Schublade in der Küche. An dieser Stelle kommt die klassische Frage auf: Besitzen wir unsere Gegenstände oder besitzen sie uns?
Wir haben uns gerne mit unseren Besitztümern beschäftigt. Sie gepflegt, geputzt, umgestellt, ausgetauscht. Aber sie haben uns auch von uns selbst abgelenkt. Wir definieren uns schnell über die Möbel, die Kleidung und die Deko, die wir gekauft haben, und werden davon wahrscheinlich auch nie loskommen. Mit jeder Kaufentscheidung möchten wir ein bestimmtes Bild von uns schaffen. Ich denke, dass es jedem so geht, der sein Ego noch nicht besiegt hat. Aber wir wollen es herausfinden: Was bleibt von uns, wenn wir die Gegenstände abziehen? Oder ist kein Besitz auch wieder eine Entscheidung, die unser Selbstbild definiert? Diesen Antworten möchten wir auf unserer Reise etwas näherkommen.
Weshalb wir unseren Besitz nicht eingelagert haben
Für uns war es keine Option, unsere Wohnung für eine bestimmte Zeit unterzuvermieten, Lagerräume anzumieten oder unsere Sachen bei Bekannten einzulagern. Wie bereits oben beschrieben, war es für uns ein wichtiger Prozess, uns von den Dingen, die wir größtenteils als Ballast empfanden, zu lösen. Wir wollten so wenige Verpflichtungen wie möglich haben und Besitz loszuwerden war dafür eine einfache Möglichkeit. Deshalb haben wir unsere Wohnung komplett aufgelöst. Seitdem fühlen wir uns viel freier und wir sind nicht verpflichtet, zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder zurückzukommen.
Unsere Gründe für minimalistisches Reisen
Nachdem wir uns von so vielen Dingen getrennt haben, versuchen wir, bewusster zu konsumieren. Wir legen großen Wert darauf, dass sich in unserem neuen kleinen Zuhause keine unnötigen Kleinigkeiten ansammeln. Denn wir wissen, wie viel Energie der Besitz und das Loswerden kosten. Jede Neuanschaffung fühlt sich im ersten Moment eher falsch an und wir überdenken sie sehr genau. Dabei behalten wir die folgenden Punkte im Kopf, die in unseren Augen für leichtes Gepäck während unserer Reise sprechen.
Mehr Ordnung im Wohnmobil
Ganz klar: Auf kleinem Raum verteilen sich Dinge nicht so gut wie in einer Wohnung, ständig liegt etwas im Weg. Wir stolpern über unsere Schuhe, setzen uns auf unsere Smartphones und bereiten unser Frühstück auf dem Armaturenbrett zu, wenn auf der Küchenarbeitsfläche kein Platz ist. Das ist alles möglich, früher oder später geht es uns aber wahnsinnig auf die Nerven.
Deswegen haben wir eine einfache Rechnung aufgestellt: Je weniger wir haben, desto weniger kann potenziell im Wohnmobil rumfliegen. Zusätzlich achten wir darauf, dass alles einen Platz hat, an dem es auch während der Fahrt nicht abstürzt, und dass wir alles nach Nutzung dort hin zurückräumen.
Mehr Kreativität im Alltag
Unsere Interessen und Prioritäten ändern sich ständig, viel schneller als vor der Reise. Da wir nicht für alle Eventualitäten gerüstet sind und gleichzeitig vermeiden möchten, neues zu kaufen, verlangt es ab und an etwas Kreativität. Zum Beispiel ist uns unterwegs aufgefallen, dass uns eine Möglichkeit zum Wäschetrocknen fehlt. Anstatt im nächsten Geschäft einen kleinen Wäscheständer zu kaufen, haben wir einfach die Augen offen gehalten. Inzwischen haben wir im Wald ein Stück Schnur gefunden, das sich zwischen zwei Bäume gespannt optimal als Wäscheleine eignet. Und vor Kurzem haben wir neben einer Mülltonne ein Klappgestell gefunden, durch das wir die Wäscheleine gefädelt haben. Es hat etwas Geduld gebraucht, aber wir besitzen jetzt einen selbstgebauten Wäscheständer aus recycelten Materialien und sind stolz darauf.
Weniger zu besitzen gibt uns mehr Energie für neue Gedanken. Das schafft Raum für Kreativität, die wir bisher gar nicht an uns kannten. Während wir vor der Anschaffung von fertigen „Produkten“ in so ziemlich jeder Form eher zurückschrecken, sammeln wir umso lieber kleine Dinge in der Natur und integrieren diese in unserem Zuhause. Total gerne sammeln wir Treibholz am Strand, um uns daraus kleine Möbelstücke wie Regale oder Tische zu bauen oder um Figuren daraus zu schnitzen.
Mehr Nachhaltigkeit auf Reisen
Minimalistisch zu reisen führt bei uns ganz automatisch dazu, dass unsere Reise nachhaltiger wird. Wir kaufen nur selten etwas neu und überdenken jeden Kauf. Dadurch sind wir auch nicht versucht, in den Ländern und Städten, die wir besuchen, Souvenirs zu kaufen. Wir interessieren uns mehr für lokale Spezialitäten (die wir dann meistens schnell aufgegessen haben) oder nehmen eine Kleinigkeit aus der Natur mit, die uns an die besondere Landschaft erinnert. Durch mehr Aufmerksamkeit für die kleinen Dinge und den Kontakt mit Einheimischen versuchen wir, Andenken in unserer Erinnerung zu sammeln, anstatt in unserem Auto.
Und auch wenn es nur einen kleinen Teil ausmacht: Unterm Strich sparen wir mit jedem Teil, auf das wir verzichten, etwas Gewicht und haben damit einen geringeren Spritverbrauch.
Geringere Reisekosten
Dieser Aspekt führt zu unserem nächsten Punkt, der unserer Meinung nach sehr eng mit Nachhaltigkeit zusammenhängt. Während sich der geringere Spritverbrauch wahrscheinlich nicht merklich auf unsere Reisekasse auswirkt, fällt es uns in anderen Bereichen deutlich auf. Minimalismus führt dazu, dass wir auf unserer Reise unser Geld bewusster ausgeben. Wir kaufen nur ein, was wir wirklich brauchen oder wollen und sind unterwegs nicht zu Spontankäufen verleitet. Auch unter diesem finanziellen Aspekt hat es für uns Sinn ergeben, keine Lagerräume anzumieten.
Es geht uns nicht darum, maximal sparsam zu reisen. Wir möchten einfach unnötiges Zeug und entsprechend unnötige Ausgaben vermeiden. Und dadurch, dass wir die meisten Lebensmittel bei kleinen lokalen Geschäften und Märkten kaufen, anstatt bei den großen Supermarkt-Ketten, haben wir auch kein schlechtes Gewissen, wenn wir an Souvenir-Shops vorbeigehen.
Wir haben unterwegs nur wenige Ausgaben und das eröffnet uns mehr Möglichkeiten für unsere Reise. Wir können Rücklagen für anfallende Reparaturen bilden, spontane Umwege fahren und insgesamt länger reisen. Vor allem erlaubt es uns, unterwegs weniger über Geld nachdenken zu müssen.
Weniger Sorgen
Nicht nur finanziell müssen wir uns weniger Sorgen machen, auch in Bezug auf unseren Besitz. Wahrscheinlich kennt jeder dieses unsichere Gefühl, wenn man sein Wohnmobil für längere Zeit aus dem Blick verliert. Vor allem, wenn sich das gesamte Hab und Gut darin befindet.
Uns geht es genauso, aber wir versuchen uns regelmäßig bewusst zu machen, dass ein Einbruch oder Unfall natürlich ärgerlich und mit viel Aufwand verbunden wäre, aber unsere Welt deswegen nicht untergehen wird. Unser Auto ist versichert, unsere Daten gesichert und alles andere ist ersetzbar. Da wir außer dem Wohnmobil kaum noch etwas besitzen, das einen erwähnenswerten Wiederverkaufswert hat, wäre der finanzielle Verlust vernachlässigbar. Und das Wichtigste würden wir in kürzester Zeit Second Hand günstig nachkaufen können.
Wir haben auch einige Dinge mit emotionalem Wert dabei, Geschenke von lieben Menschen und Erinnerungsstücke, deren Verlust uns traurig machen würde. Aber auch hier versuchen wir uns klar zu machen: Die Erinnerungen stecken nicht in den Dingen. Sie stecken in unserem Kopf und in unserem Herzen und dort kann sie uns niemand wegnehmen.
Minimalismus macht unsere Reise leichter
Wir betrachten Besitz als wertvolle Ressourcen, die wir nutzen möchten. Ressourcen, die ungenutzt rumliegen, sowohl in Schränken als auch in Köpfen, kosten uns nur noch weitere Ressourcen. Wenn wir unnötige Dinge mit uns herumfahren, benötigen wir mehr Zeit und Geld, um sie zu pflegen und instand zu halten. Dadurch bleibt uns weniger Geld, das uns an anderer Stelle Möglichkeiten eröffnen kann. Und wenn wir unnötige Gedanken und Probleme in unseren Köpfen herumwälzen, kostet uns das Energie, die wir in wichtigere Themen stecken könnten.
Für uns ist Minimalismus Teil unserer Persönlichkeitsentwicklung. Er bringt uns dazu zu hinterfragen, was wir in unserem Leben haben möchten und was nicht. Indem wir Ballast reduzieren, haben wir den Kopf frei für neue Erfahrungen und lernen ganz neue Hobbies und ungeahnte Fähigkeiten an uns kennen. Wir fühlen uns näher bei uns selbst und achten mehr auf uns, unsere Wünsche und unsere Bedürfnisse.