Den eigenen Besitz so weit zu reduzieren, dass er in ein Wohnmobil passt, ist eine harte Nuss. Ich habe mich vor unserer Reise jahrelang mit Minimalismus beschäftigt, ständig ausgemistet und meinen Besitz immer weiter reduziert. Unsere Wohnung sah ziemlich leer aus. Doch als wir das ganze Zeug dann mal in unseren Camper getragen haben war schnell klar: wenig ist für 10 Quadratmeter immer noch ziemlich viel!
Wenn man ins Wohnmobil ziehen möchte, ist Ausmisten nicht nur ein Hobby, Minimalismus mehr als ein Einrichtungsstil. Es wird zu einer Notwendigkeit. Denn im Camper ist schlicht und einfach kein Platz, um viele Dinge mitzunehmen.
Den Besitz zu reduzieren klingt erst einmal nicht schwer. Die Pragmatiker*innen unter uns werden einfach alles in die Tonne hauen oder bei der nächsten sozialen Einrichtung spenden. Mir ging es beim Ausmisten aber um Folgendes:
- Ich wollte mir sicher sein, dass ich die „richtigen“ Dinge behalte und auf Reisen nichts vermisse, was ich weggegeben oder eingelagert habe.
- Ich wollte möglichst viel verkaufen und von dem Erlös meine Reise mitfinanzieren. Gleichzeitig glaube ich, dass je mehr man für etwas bezahlt, desto mehr schätzt man es wert. Und je sorgsamer mit etwas umgegangen wird, desto länger bewahrt man es vor dem Müll.
Für mich war das bewusste Reduzieren meines Besitzes der erste Schritt der Reise. Der Prozess hat mir total dabei geholfen, mich auf das zu fokussieren, was mir wirklich wichtig ist, und mich langfristig geprägt.
Zum Weiterlesen:
Wenn du dich also fragst, wie du herausfindest, was du auf deiner Reise beziehungsweise deinem Leben im Wohnmobil tatsächlich brauchst und was du loswerden kannst, dann helfen dir vielleicht meine Tipps zum Ausmisten:
1. Schaffe Platz im Kopf
Bevor es losgeht, solltest du dir ganz klar überlegen, wofür du das alles auf dich nimmst. Warum ziehst du in ein Wohnmobil? Warum möchtest du dich von so vielen Dingen trennen? Manchmal ist es gar nicht so offensichtlich.
Schreibe dir deine Motivationsgründe auf, male ein Bild oder richte dir ein motivierendes Hintergrundbild ein, sodass du dein Ziel nicht aus den Augen verlierst, auch wenn‘s mal hart wird. Wenn das klar ist, dann fällt es dir leichter, deinen Besitz zu reduzieren, und du wirst auch bei jedem Teil, das du guten Gewissens ausmistest, viel Spaß haben, versprochen!
Mache einen radikalen Kaufstopp
Sobald du entschieden hast, dass du in dein Wohnmobil ziehen wirst, fallen dir bestimmt sofort 100 Dinge ein, die du an deinem Camper nachrüsten musst oder fürs Vanlife unbedingt brauchst. Solange du noch nicht die Erfahrung gemacht hast, wie unfassbar schwierig es ist, den eigenen Besitz zu minimieren, solltest du vorerst besser nichts Neues kaufen. Keine Kleidung, kein Sonnensegel und natürlich auch keinen Fernseher.
Einkaufsliste
Erstelle dir eine Liste, auf der du alles aufschreibst, was du für dein Leben im Camper gebrauchen könntest. So vergisst du es nicht, lässt dir aber ein noch eine Weile Bedenkzeit. Lass dich nicht von Angeboten oder scheinbar einmaligen Gelegenheiten blenden.
Werde dir bewusst, dass alles Materielle ersetzbar ist
Beim Ausmisten war ich ziemlich schnell an dem Punkt, dass ich mir bei manchen Dingen dachte: „Das wäre doch blöd, das wegzugeben.“ So ging es mir zum Beispiel bei teuren Anschaffungen, bei tollen Schnäppchen, bei besonderen Flohmarkt-Fundstücken oder Selbstgebautem. Gedanken wie „Das werde ich nach der Reise wieder brauchen“ oder „Der Wiederanschaffungspreis wird definitiv über dem Verkaufspreis liegen“ schwirrten durch meinen Kopf.
Schnell wurde mir aber bewusst: Jeder Gegenstand raubt mir Energie. Egal, ob ich ihn einlagere oder mitnehme. Solange er in meinem Besitz ist, muss ich mich um ihn kümmern. Ich muss ihn verstauen, benutzen, aufpassen, dass er nicht kaputt geht, und wenn es doch passiert, muss ich mich darüber ärgern.
Aus diesem Grund war es für mich persönlich besser, mir klarzumachen, dass ich mir das, was ich nach der Reise wirklich brauche, wieder beschaffen kann. Und wenn ich zum Beispiel meinen Wasserkocher vor der Reise bei eBay Kleinanzeigen verkaufe, kann ich mir nach der Reise auf gleichem Wege einen neuen gebrauchten besorgen. Sowohl die finanzielle als auch die Ressorucen-Bilanz bleibt damit ungefähr bei Null.
Oliver vom Frugalisten-Blog nennt dieses Prinzip die „Stuff Cloud“.
2. Überprüfe die Gegebenheiten
Jede*r Reisende hat eine andere Ausgagssituation. Deswegen ist es wichtig, dass du dir selbst Klarheit über deine individuellen Gegebenheiten schaffst.
Definiere deinen Reisestil
Bevor du anfängst, dich von allem möglichen zu trennen, solltest du dir genau überlegen, wie deine Reise aussehen wird. Dass sie wahrscheinlich komplett anders verlaufen wird als du es dir vorstellst, ist erst mal nebensächlich. Stelle dir folgende Fragen, um eine grobe Idee von deinem Reisestil zu bekommen:
- Halte ich mich überwiegend in der Natur auf oder möchte ich viele Städte besichtigen?
- In welche Länder möchte ich reisen und wie ist das Wetter dort?
- Welchen Hobbies kann und möchte ich unterwegs nachgehen?
- Stehe ich viel frei oder meistens auf Campingplätzen?
Vielleicht hilft es dir, „Standardtage“ zu definieren, zum Beispiel:
- „Zivilisationstag“: Ich übernachte auf einem Campingplatz, wasche dort meine Wäsche und möchte mit dem Fahrrad die Stadt erkunden.
- „Naturtag“: Ich stehe mit meinem Camper mitten in der Natur und gehe an einer spektakulären Steilwand klettern.
- „Strandtag“: Ich liege den ganzen Tag faul am Strand in der Sonne und verschlinge ein Buch nach dem anderen.
- „Schraubertag“: Ich gehe einem Problem an meinem Fahrzeug auf den Grund und möchte es selber lösen anstatt den Pannendienst zu rufen.
Wenn du solche Muster definieren kannst, fällt es dir wahrscheinlich leichter zu entscheiden, welche Gegenstände sinnvoll sind und welche weniger. Wahrscheinlich hast du direkt konkrete Gegenstände im Kopf, die auf jeden Fall mit müssen. Schreibe diese auf deine Einkaufsliste. Wichtig ist aber, bei diesen Überlegungen absolut ehrlich zu dir selbst zu sein und nicht zu versuchen, den Erwartungen anderer zu entsprechen. Nur weil deine Freund*innen erwarten, dass du den ganzen Tag in der Hängematte chillst, musst du diese nicht zwingend einpacken.
Liste auf, wie du deinen Besitz loswerden kannst
Wenn du schon öfters ausgemistet hast, weißt du wahrscheinlich, auf welchen Wegen du deinen Kram gut loswerden kannst. Aber vielleicht gibt es noch mehr Möglichkeiten, an die du noch nicht gedacht hast! Ich teile es grob in die folgenden Kategorien auf, es kann natürlich sein, dass dir noch andere einfallen:
- Verkaufen: Welche Verkaufsportale kennst und nutzt du? Beispiele sind: eBay Kleinanzeigen, Vinted, Flohmärkte, Second-Hand-Läden, Facebook-Gruppen. Auf welchen Portalen lassen sich welche Gegenstände am besten verkaufen?
- Verschenken und Spenden: Wer freut sich über deine Sachen? Vielleicht ziehen demnächst Freund*innen um, die Möbel oder Küchenequipment gebrauchen könnten. Oder hast du einen technikbegeisterten Cousin? Natürlich kannst du deine Sachen auch bei sozialen Einrichtungen oder Umsonstläden abgeben, Bücher sind in öffentlichen Bücherregalen gut aufgehoben.
- Einlagern: Wenn du davon ausgehst, dass du nicht alles loswerden kannst oder möchtest, solltest du dir überlegen, wo du Platz hast, um etwas einzulagern.
- Entsorgen: Das ist definitiv die letzte Option für alles, was du nicht auf anderem Weg loswerden kannst. Erkundige dich, was du wo recyceln kannst, damit die Rohstoffe weiterverwendet werden können. Entsorge deinen Haushaltsmüll immer sofort, damit du dich vor der Abreise nicht über überquellende Mülltonnen ärgern musst.
Wie genau wir bei unserer Wohnungsauflösung vorgegangen sind, kannst du hier nachlesen: Wie wir unsere Wohnung nachhaltig aufgelöst haben
Wie viel Platz ist in deinem Camper vorhanden?
Ich hatte mir relativ frühzeitig überlegt, wie ich die Schränke des Wohnmobils einräumen möchte. Welche Aufteilung ergibt Sinn, was hat wo Platz? Mir hat es geholfen, das im Kopf schon mal durchzuspielen. So war ziemlich schnell klar, dass große, sperrige oder sehr schwere Gegenstände einfach nicht mitgenommen werden können.
3. Miste gezielt aus
Jetzt geht‘s richtig los! Du weißt, wie du deine Reise ungefähr gestalten möchtest und wie viel Platz dir zur Verfügung steht. Mit diesen Infos im Hintergrund sollte es dir leichter fallen zu entscheiden, wovon du dich trennen möchtest und wovon nicht.
Erstelle ein Zwischenlager
Bei mir hatte Ausmisten viel mit Organisieren und Rumräumen zu tun. Sehr geholfen hat es mir, feste Orte in der Wohnung zu definieren. In einer Ecke wurde alles gesammelt, was verkauft werden sollte, in einer anderen alles, was ich spenden wollte. So war alles, was weg sollte, an einem Ort gesammelt. Das hat mir geholfen, den Überblick zu behalten.
Definiere, was weg kann
Gehe durch alle Zimmer und erstelle eine erste Liste mit Dingen, die definitiv weg sollen. Das werden wahrscheinlich Möbel sein, die Waschmaschine und andere Elektrogeräte mit hohem Stromverbrauch. Aber auch Sachen, die du sowieso loswerden wolltest, Kleidung, die nicht passt, oder der Inhalt aus der berühmten Krimskrams-Schublade kannst du dir bereits aufschreiben und vielleicht direkt in deinem Zwischenlager sammeln. Diese Liste ist dein erster Anhaltspunkt. Notiere dir auch, wie du die Sachen loswerden kannst.
Weg-damit-Liste
Erstelle eine Liste mit den Dingen, die du definitiv nicht mitnehmen wirst. Schreibe dazu, wie du sie loswerden kannst. Auf der Liste kannst du auch Wackelkandidaten notieren, die du zum Beispiel mit einem Fragezeichen kennzeichnest. Die Liste hilft dir dabei, deine Entscheidungen nicht überstürzen zu müssen. Du kannst dir Zeit geben, um darüber nachzudenken. So beugst du vor, dass du am Ende bereuen könntest, etwas weggegeben zu haben.
Überlege dir, auf was davon du bereits jetzt verzichten kannst. Und dann bring sie direkt weg oder erstelle Verkaufsinserate. So bekommst du schon früh ein Gefühl dafür, was sich gut verkaufen lässt und welche Plattformen wie funktionieren. Gleichzeitig kannst du höherpreisige Inserate einstellen und den Preis erst senken, wenn die Zeit knapp wird. Je mehr Geld du für etwas bekommst, desto leichter fällt es dir vermutlich, dich davon zu trennen.
Gehe in Kategorien vor
Wir hatten bei der Wohnungsauflösung nicht Zimmer für Zimmer ausgemistet, sondern haben regelmäßig alles in einem Zug durchforstet. Dadurch hat sich nach und nach alles gelichtet. Trotzdem gab es natürlich größere Baustellen, die mehr Aufmerksamkeit brauchten. Bei uns war es der Keller, in dem viel Zeug rumstand, bei dem wir einfach nicht wussten, was wir damit anfangen sollten.
Ich denke, es ist am sinnvollsten, beim Ausmisten mit den Sachen anzufangen, zu denen man keine emotionale Bindung hat. Wenn du deine Schuhsammlung liebst, dann fällt dir das Ausmisten bestimmt leichter, wenn du es davor mit weniger emotionalen Gegenständen übst.
Schreibe alles, was weg kann, auf deine Liste. Wenn du es verkaufen möchtest, dann kümmere dich darum, sobald du den Gegenstand nicht mehr benötigst.
Ziel ist es, in der Wohnung nach und nach nur noch mit den Dingen auszukommen, die du auch unterwegs nutzen wirst. Sozusagen Probe-Vanlife in der Wohnung. So merkst du schnell, falls dir etwas fehlen sollte.
Vermeide Neukäufe
Bei manchen Dingen denkst du vielleicht auf den ersten Blick, dass du sie unterwegs nicht nutzen kannst. Manchmal kann aber eine kleine Veränderung bewirken, dass es doch geht.
Beispiele:
- Matratze auf das passende Maß zuschneiden.
- Gleiches geht mit Gardinen und Teppichen.
- Aus festeren Gardinen Polsterbezüge nähen.
- Vorhandenes Geschirr nutzen statt Campinggeschirr.
- Sonnenschirm nutzen statt Sonnensegel zu kaufen.
Dadurch vermeidest du sowohl Neukäufe, Müll durch die Entsorgung als auch unnötige Ausgaben!
Brauche Lebensmittel auf
Auch die Lebensmittelvorräte müssen im Camper reduziert werden. Du solltest entsprechen früh genug anfangen, deine Vorräte aufzubrauchen. Wenn du am Ende noch Lebensmittel übrig hast, kannst du diese an Bekannte verschenken oder über Foodsharing abgeben.
Finde deine Prioritäten
Wahrscheinlich werden dir beim Ausmisten eine Menge Wackelkandidaten begegnen. Überlege dir ganz genau, ob diese zu deinem Reisestil passen. Wenn du denkst, dass du diese zwar selten brauchst, aber nicht darauf verzichten möchtest, kannst du sie dir unterwegs vielleicht ja ausleihen. Das ist vor allem bei großem Equipment wie Fahrrädern, SUPs, Kanus oder Kletterausrüstung sinnvoll. Welche Dinge sind es dir wirklich wert, dich jeden Tag zu begleiten und wie praktikabel sind sie?
Wir haben uns zum Beispiel gegen eine große Bettdecke entschieden und stattdessen zwei kleine dabei. Ich konnte mir schlichtweg nicht vorstellen, wie ich auf kleinem Raum eine so große Bettdecke ausschütteln, geschweige denn neu beziehen können soll.
4. Prüfe, ob alles passt
Irgendwann wirst du den Punkt erreichen, an dem du alle deine Sachen durchgegangen bist. Du weißt dann bei jedem Teil, ob du es mitnehmen möchtest oder ob du es entsorgst. Zeit zu schauen, ob alles, was mit soll, auch in den Camper passt!
Probeeinräumen
Lege einen Tag fest, an dem du alles, was mit soll, in den Camper trägst. Nur so kannst du herausfinden, ob wirklich alles so passt, wie du es dir vorstellst. Sinnvoll ist das Probeeinräumen natürlich erst dann, wenn du bereits einen guten Überblick über deinen verbleibenden Besitz hast. Du solltest es auch nicht zu spät machen, damit dir noch genügend Zeit bleibt, um alles, was doch nicht passt, noch verkaufen oder anderweitig loswerden zu können.
Wahrscheinlich wirst du eine ganze Weile hin- und herräumen müssen. Am Ende sollte aber jeder Gegenstand einen festen Platz im Wohnmobil gefunden haben.
Nachdem du alles ins Wohnmobil getragen hast, siehst du deutlich, wie viel noch übrig ist. Alles, was du in der Wohnung zurückgelassen hast, solltest du jetzt so schnell wie möglich loswerden 🙂
Wiege deinen reduzierten Besitz
Neben dem vorhandenen Platz ist auch das zulässige Gewicht deines Haus auf Rädern entscheidend. Fahre also nach dem Probeeinräumen zu einer Waage, zum Beispiel bei der Deponie, und lasse dein vollbeladenes Wohnmobil wiegen, inkl. allen zukünftigen Bewohnern, Wasser, Gas und Diesel. Das hilft dir einzuschätzen, ob du noch mehr Dinge loswerden oder schwere Teile durch leichtere Alternativen ersetzen musst.
5. Kaufe alles, was fehlt und Platz hat
Nach dem Probeeinräumen und Wiegen weißt du, wie viel Platz du noch für Neuanschaffungen hast. Klar kannst du auch schon davor das einkaufen, was du definitiv benötigst, aber ich würde mit den Nice-to-Have-Sachen definitiv so lange wie möglich warten.
Ich hoffe, dass dir meine Tipps dabei helfen, deinen Besitz auf das notwendige Minimum zu reduzieren, ohne dass es sich für dich nach Verzicht anfühlt. Wenn du Fragen hast, freue ich mich jederzeit über deine Nachricht!